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Elf Monate und einen Tag
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Autor: Elmar Heer Eingestellt am: 27.08.2005
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Aber dennoch bedrücken die unübersehbaren Spuren der beinahe dreijährigen Belagerung und Beschießung im ganzen Stadtgebiet, die notdürftig reparierten Ruinen, in welchen Menschen ohne Strom und Wasser leben, die Obdachlosen und auch die Minenopfer, die sich nicht einmal einen Rollstuhl leisten können. Die Fahndungsplakate an jeder Straßenecke mit den Gesichtern von Mladic und Karadzic, "2 Millionen Dollar Belohnung", erinnern an die Verantwortlichen für den grausamen Krieg, dem in Bosnien mehr als 200.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Nach knapp sechsstündiger Fahrt für gerade mal 320 km im gut motorisierten Toyota 4Runner über schlaglochübersäte Asphaltpisten und Behelfsbrücken erreichten wir unser Ziel, die weit verstreute 12.000-Seelen-Stadt Bihac, unweit der kroatischen Grenze. Der Anblick der noch immer von Maschinengewehrsalven gezeichneten Fassaden, von vollkommen zerstörten Häuser, ja ganzen "Geisterdörfern" inmitten einer wunderschönen Landschaft hatte unterwegs einen gemischten Eindruck bei mir hinterlassen. "Daran gewöhnt man sich schnell" meinte Wolle, der altgediente Missions-Haudegen aus dem Ruhrpott. Er war unser Chauffeur und zeigte am Zielort verschiedene, einigermaßen annehmbare Wohnungen, die für Preise zu mieten waren, die man mit den gewohnten deutschen Verhältnissen vergleichen konnte. Inklusive des üblichen UN-Mitarbeiter-Aufschlags von mindestens 100 % versteht sich. Einheimische können sich eine solche Miete nicht leisten.
Der 27. Januar 2002 war ein eisig kalter, aber sonniger Sonntag. In der Nacht ereilte mich eine kräftige Erkältung, umso schwieriger war es für mich, den ersten Tag im Dienste der Vereinten Nationen zu überstehen. Tags zuvor erst bescheinigte man mir passable Englischkenntnisse, und nun verstand ich dennoch nur "Railwaystation". Die herzlichen, aber kaum verstehbaren Begrüßungen von uns "Neuen" in den unterschiedlichsten Akzenten ließen mich zweifeln, ob sie tatsächlich alle Englisch sprachen oder ob nur ich es war, der über Nacht alles vergessen hatte.
Den ganzen Missionsbericht von Elmar Herr finden Sie in unserem Buch "Die erste Leiche vergisst man nicht – Polizisten erzählen"
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* Aktuelles *
(29.03.2024)
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"Ich entschloß mich von dem Standpunkt meiner eigenen
Erfahrungen zu schreiben, von dem was ich wusste und was ich
fühlte. Und das war meine Rettung...
... Was ist Original? Alles was wir tun, alles was wir
Denken existiert bereits und wir sind nur Vermittler. Das ist
alles. Wir machen von dem Gebrauch was bereits in der Luft ist."
Henry Miller, aus einem Interview in den 60-iger Jahren
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