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Blaulicht und Mascara (aus Kapitel 20)
Autorin: Simone Meinhardis
Eingestellt am: 03.10.2002
Dieser Text im pdf-Format: blaulichtundmascara.pdf (30 kByte)
Seite 2 von 4

Natürlich hatte ich von Anfang an gewußt, daß der Beruf, den ich gewählt hatte, mit einem hohen Risiko verbunden war. Ich wußte, daß jedes Jahr Kollegen in Ausübung ihres Dienstes durch Gesetzesbrecher zu Tode kamen, und theoretisch war mir auch völlig klar, daß es jederzeit auch mal jemanden in meinem unmittelbaren Umfeld treffen konnte - mich eingeschlossen.

Doch jetzt, wo es passiert war, jetzt war es schwer, das, was man mit dem Kopf, dem Verstand so selbstverständlich wußte, wirklich mit allen Sinnen zu begreifen. Es war keine Angst, die in mir hochstieg, aber es war die Erkenntnis, daß es jederzeit wieder passieren konnte. Würden wir jemals wieder unbefangen ein Fahrzeug kontrollieren? Wie lange würde es dauern, bis nicht mehr dauernd die Erinnerung und damit vielleicht verbundene Überreaktionen gegenüber dem Bürger draußen hochkam?

All diese Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Als ich daheim die "Hohenrainer Zeitung" aufschlug, fand ich im Regionalteil ein großes Schwarz-Weiß-Foto. Es zeigte eine Gruppe uniformierter Kolleginnen und Kollegen aus der Bereitschaftspolizei, die Trauerwache an der Unglücksstelle hielten. Es waren junge, mir unbekannte Gesichter, in denen sich Unglauben, Entsetzen und tiefe Bestürzung widerspiegelten. Mit der Mütze in der Hand standen sie da und sahen auf ein Blumengebinde, das die Kollegen der Schicht neben die Laterne gelegt hatten. Es trug die Aufschrift :

"In ewiger Erinnerung - Deine Kameraden der C-Schicht."

Eine Kerze brannte daneben.
Jemand hatte eine Vase mit frischen Rosen neben das Gebinde gestellt; davor waren noch deutlich die eingezeichneten Kreidespuren zu erkennen, die den Fahrtweg des Todeswagens markierten.

Bereits auf Seite 1 fand sich am nächsten Tag ein großer Bericht über den Unglücksfall. Tags zuvor war die Zeit zu knapp gewesen, da das Ganze sich nach Mitternacht und damit nach Redaktionsschluß ereignet hatte. Der Tathergang wurde ausführlich geschildert; zum Schluß wurde darauf hingewiesen, daß Rudi verheiratet und Vater dreier Kinder im Alter von elf, drei und einem dreiviertel Jahr gewesen war. Auch wurde spontan ein Spendenkonto eingerichtet, um zumindest die erste finanzielle Not zu lindern.

... Einige Tage nach Rudis Beerdigung, am Tag, als die "B"-Schicht Mittagsdienst hatte, war ich in Hohenrain, um Besorgungen zu machen.

Der Wunsch, Max zu sehen und mit ihm zu reden, war plötzlich übermächtig. Gegen 12.30 Uhr fuhr ich deshalb hinauf in die Friedrichstraße und stellte meinen Wagen vor dem Revier ab. Nur kurze Zeit später fuhr der silbermetallicfarbene Opel Ascona in den Hof, den ich mittlerweile so gut kannte. Max stieg aus. Etwas müde lächelte er mich an. "Hallo, Mädel!" meinte er freundlich, "warum hast Du Dich so rar gemacht in letzter Zeit?" Ich wollte ihm antworten, aber auf einmal war er wieder da, der große Klumpen in meinem Hals. Er schien mir die Luft abzudrücken, und ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Kein Wort brachte ich heraus.

Er drückte mich wortlos an sich. Die Tränen liefen mir übers Gesicht, so sehr ich mich ihrer schämte, aber es hätte nichts gegeben, was ich dagegen hätte tun können. Max tadelte nicht. Er hatte selber feuchte Augen; die Ereignisse der letzten Tage waren auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen.
"Weißt Du was?" meinte er schließlich, "bis zur Ablösung habe ich noch etwas Zeit. Komm, laß uns im Sozialraum einen Kaffee trinken." Ich nickte, und der Kloß in meinem Hals wurde kleiner. Da war jemand, mit dem ich über alles reden konnte, was mich seit Rudis Tod so sehr beschäftigt hatte.

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